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Ortschronik
von Naundorf (Geiseltal)
Naundorf
lag südwestlich von Merseburg im Tal der Geisel. Ab 1954 begann die
Abbaggerung des Ortes. Heute liegt der Standort des ehemaligen
Dorfes inmitten des Geiseltalsees, und zwar in unmittelbarer
Umgebung des Ausflusses der Geisel aus dem See. Der Ort ist nicht zu
verwechseln mit weiteren Orten gleichen oder ähnlichen Namens in
der Umgebung wie dem Naundorf nordwestlich von Halle oder dem bei
Zeitz.
Ortsgeschichte
Naundorf als solches
entstand aus einem Gut des Merseburger Stiftes. Dieses Gut war aus
Flächen von Rottmannsdorf (auch Rattmarsdorf) und Körbisdorf
gebildet worden, mit einem „trennenden Gehrenstücke". Ein
Naundorf wurde erstmals 1050 und 1055 erwähnt, es ist aber
fraglich, ob es das im Geiseltal war oder ein anderes in der
Umgebung. Tatsächlich wird die Ortsgründung für den Beginn des
12. Jahrhundert angenommen. Die erste wirklich zuordenbare
Ortsnennung stammt aus dem Jahre 1317, als es unter dem Namen 'Nuendorf'
in einer Urkunde genannt wurde. Unter viel älteren benachbarten
Orten war diese Neugründung eines 'neuen Dorfes' eben das
'Neuendorf'. Zu dieser Zeit bestand es aus einem Rittergut und 11
Bauernhäusern. Im ausgehenden Mittelalter setzte sich mehr und mehr
die Bezeichnung 'Nauendorf' bzw. später dann 'Naundorf' durch. Im
17. Jahrhundert wird in den Kirchbüchern für wenige Jahrzehnte
auch ein 'Neidendorf' erwähnt, diesbezügliche Nennungen scheinen
auf die Nähe zu Naundorf hinzuweisen, erscheinen aber so
eigenständig, dass eine 'Schreibvariante' ausgeschlossen werden
kann, möglicher Weise handelt es sich um einen Randteil von
Naundorf oder einer der benachbarten Wüstungen, die eventuell
kurzzeitig wiederbelebt wurden.
Ortsanlage Naundorf
1905
Einige Historiker setzten gelegentlich Naundorf mit Radewassendorf bzw.
Gerwatesdorf gleich, welche gelegentlich in mittelalterlichen
Urkunden auftauchen. Nachweislich lagen diese aber am Rotthügel
(zwischen Geusa und Bündorf), wo beide in alten Flurkarten später
noch verzeichnet waren. Dennoch war Naundorf wohl keine reine
Neugründung. Schaut man sich den Straßenplan genauer an, scheint
das Dorf aus zwei Teilen zu bestehen. Zum Süden, parallel zur
Geisel hin, ist es ein typisches fränkisches Straßendorf, im
Nordwesten scheint aber ein älterer slawischer Rundling in das Dorf
mit einbezogen worden zu sein. Es war wohl um das Jahr 1104 als
Wiprecht von Groitsch, der Gründer des Klosters Pegau, mit
zahlreichen fränkischen Siedlern ins Bistum Merseburg zog und sich
eine Gruppe dieser Franken aim Geiseltal niederließ. Dieses war
schon recht gut besiedelt, wohl sogar recht stark für die Zeit,
viele freie geeignete Plätze an der Geisel gab es nicht. Wohl
lagder Grund der Oündung auch in einem Bestreben lokaler
Grenzsicherung Merseburgs gegenüber Querfurt. Die Siedler, die hier
schon wohnten - wohl nicht nur Slawen, eher ein buntes Gemisch
zwischen Thüringern, Sachsen, Angeln, Schwaben, Franken, Slawen und
einigen anderen -, wurden bei so was nicht gefragt. Ja oft waren
nicht einmal die Neusiedler gefragt, sondern waren dazu von ihren
Herren gezwungen worden.
Aus den Beschreibungen der
Lehnsabhängigkeiten weiß man, dass einige Höfe Naundorfs zu
Körbisdorf hörig waren, dies dürften die Höfe der Altsiedler
gewesen sein. Ein Vorwerk hingegen unterstand direkt dem Domkapitel
zu Merseburg, hingegen waren die fränkischen Neusiedler dem
Rittergut Naundorf untertänig. Nach einer Zusammenstellung aus dem
Jahre 1754 hatte Naundorf 29 Häuser und 17 Handfröhner, aber nur
die Hälfte derer war auch dem Naundorfer Rittergut untertänig.
Vier Häuser standen unter dem Merseburger Domkapitel, 11 unter dem
Winkelschen Erbgericht (damit zu Körbisdorf). Das Obergericht im
Dorfe und das Ober- und Niedergericht im Felde unterstanden dem
Merseburger Küchenamte. Wie stark die Lehnslasten waren, zeigt sich
daran, dass das Dorf bei Bedarf dem Bistum 30 bewaffnete Männer zu
stellen hatte, die sich allesamt mit Rüstzeug und Waffen selbst
auszustatten hatten - ein teures Unterfangen damals. Im
Antrittsbefund des Pfarrers Andreas Ernst aus dem Jahre 1546, werden
dreißig Bauern genannt, die Lehen und Untergerichte standen
hingegen den Junkern von Kötzschen und Gunter Bose zu. 1562 gibt es
zu Naundorf nur 26 Bauern.
Der
Abbruch
Kohle bei Naundorf wurde wohl erst seit dem 19. Jahrhundert
abgebaut, die Kohle lag hier tiefer, zumeist unterhalb des
Grundwasserspiegels. Hierüber berichten uns die Verwaltungsberichte
des Bergreviers Eisleben an das Oberbergamt Halle. Nachdem sie in
den Jahren 1857 und 1858 „bei Naundorf an der Geisel unter wenigen
Lachtern Deckgebirge ein 12 Lachter (zirka 24 m) mächtiges
Kohlenflötz" erbohrt hatten, heißt es dort für 1858: „Ein
bei Naundorf in Angriff genommener Versuchsschacht konnte indes
wegen starker Wasserzugänge nicht bis auf das Flötz gebracht
werden." Mit dem Tieferlegen des Grundwasserspiegels bekam man
zwar das Problem in Griff, sorgte aber auch dafür, dass für
Landwirtschaft, Bevölkerung und Flora das Wasser knapp wurde.
Kurz vor dem 1. Weltkrieg begann sich im Merseburger Raum die
Chemieindustrie großflächig anzusiedeln, Die Lage der Region im
Reich, wie auch die regionalen Gegebenheiten boten gute
Absatzchancen für deren Produkte, die Braunkohle vor Ort versprach
niedrige Rohstoffkosten. Das Problem war aber der hohe
Grundwasserspiegel im Geiseltal, der den Untertagebau schnell an
seine Grenzen brachte, auch waren die Deckgebirge oft zu gering und
instabil. Schnell wurde klar, dass hier nur ein Tagebau weiterhalf.
Dumm nur, dass die Kohle unter einer der am dichtesten besiedelten
Gebiete des Reiches lag. Im Jahre 1930 musste dann mit Runstädt das
erste hiesige Dorf weichen, es sollte in den nächsten Jahrzehnten
nicht das letzte bleiben. In den Jahren 1954-57 war dann Naundorf an
der Reihe, es wurde abgerissen und das Land tief abgebaggert.
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