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Der Braunkohlenbergbau bei Körbisdorf

Am 17. 1856 wurde die Firma Brumhard, Koch & Co. gegründet, mit der Absicht, in Körbisdorf den ,gemeinschaftlichen Betrieb der Zuckerfabrikation, sowie der damit zusammenhängenden landwirtschaftlichen und technischen Gewerbe" einzurichten. Zu dem technischen Gewerbe zählte, wenn auch nur als Nebenbetrieb, die vorgesehene Eröffnung einer Grube in der Nähe der Zuckerfabrik. Die Zuckerfabrik wurde 1856 gebaut, aber mit dem Aufschluss der Grube ging dies nicht so schnell, da es harte Rückschläge gab. Es musste deshalb die Kohle größtenteils aus Merseburg geholt werden, die die Rampitzer Gruben nach dort per Eisenbahn geliefert hatten. Die restlichen Mengen bezog man aus den näher liegenden Gruben bei Roßbach bzw. Stöbnitz, alles durchgeführt mittels Pferdegespannen auf den schlechten, ungepflasterten Wegen des Geiseltales.

Die Verwaltungsberichte des Bergreviers Eisleben an das Oberbergamt Halle berichten für das Jahr 1860:

„Die Versuchsarbeiten auf den Äckern der Zuckerfabrik zu Körbisdorf haben einen erfreulichen Fortgang gehabt. Man ist Anfang Dezember beim Abteufen des Maschinenschachtes auf die Kohle gekommen. Für die anfänglich aufgestellte Locomobile ist eine stationäre Maschine aufgestellt. Die Regulierung der Wasserableitung hat keine Schwierigkeiten gehabt, da die mit dem Wassergraben berührten Flächen zum Areal der Zuckerfabrik gehören."

Die Grube bekam vom Oberbergamt in Halle die Nr. „353" zugewiesen. Am 17. März 1861 verstarb der Techniker Otto Brumhard, einer der Mitbegründer der Zuckerfabrik und Grube Körbisdorf, wobei die Grube eigentlich in der Gemarkung Naundorf lag. Nach seinem Vornamen wurde die Grube „Otto" genannt.

Der Maschinenschacht, zu dem noch ein zweiter Schacht hinzukam, wurde 1861 in die Kohle hineingeteuft. Sodann wurden Strecken aufgefahren und es konnte endlich mit dem lang ersehnten Untertage-Abbau begonnen werden. Sechs Jahre nach Gründung der Firma war man so weit, dass nach Abschluss des Jahres 1862 laut Produktionsstatistik des Oberbergamts Halle 3.567 Tonnen geförderte Kohle gebucht werden konnten. Die Förderung erhöhte sich 1863 auf 8.480 und 1864 auf 12.610 Tonnen. Die Schachtanlage befand sich 700 m nördlich der Zuckerfabrik am sogenannten „Schiefweg", der von Benndorf nach Blösien führte. Bis zum Jahre 1879 wurde die Kohle östlich dieser Schachtanlage, also unter der am Anfang der zwanziger Jahre unseres Jahrhunderts aufgeschütteten „alten Kippe", im „Bruchbau" gewonnen.

Da die kleine Grube am Schiefweg in einem Ausläufer lag, ging die Kohle langsam, aber sicher zur Neige. Auch wurden die Förderwege „vom Ort bis zum Schacht" immer weiter. Deshalb fasste die Zuckerfabrik Körbisdorf AG den Entschluss, etwa 300 m südöstlich des alten Schachtes einen neuen Schacht zu teufen. Dieser Entschluss kam 1873 zur Ausführung. Es wurden nun nacheinander der Förderschacht, der Wasserhaltungsschacht und der Wetterschacht geteuft. Die Tiefe des Förderschachtes betrug „25 Lachter" - das sind etwa 50 Meter.

Der Kohleabbau gestaltete sich zeitweise recht schwierig, da die Kohle von sehr schwammiger Beschaffenheit war. Auch die Lagerung des Flözes war sehr unregelmäßig und stark von Fremdstoffen durchsetzt. Außerdem hatte die Kohle einen sehr starken Schwefelwasserstoffgehalt, der sich unterirdisch stark verflüchtigte und „böse Augen" bei den Bergleuten hervorrief.

Die Geschäftsberichte berichten uns Folgendes:
„1874
: Auf unserer Kohlengrube berechneten sich für 1 Hektoliter Braunkohle die Einnahmen auf 24,84 Pfennig gegen 26,63 im Jahre 1873 die Ausgaben auf 17,16 Pfennig gegen 19,33 im Jahre 1873 Bruttoertrag auf 7,65 Pfennig gegen 4,30 im Jahre 1873."

„1876
: Hierzu kam noch, dass die in Folge eines im Mai 1876 gefallenen wolkenbruchartigen Regens stattgefundenen Verschlämmungen unseres Bruchfeldes die Vorrichtungsarbeiten nicht unwesentlich verteuerten."

Bei einer Besprechung anläßlich des Geiseltalbahnprojektes im Jahre 1882 heißt es : Die Grube Nr. 353 „Otto" bei Körbisdorf, „welche bei einem sehr günstig für Tagebau sprechenden Verhältnis des Abbaues zur Kohle = 2:3 einen ebenso schwierigen wie schwerköstigen unterirdischen Bau betreibt", baute zur Zeit schon in der 3. tage ab.

„1881
: Nachdem aber in unserer Gegend eine Menge neuer Kohlenfelder aufgeschlossen ist, sind wir in der Lage, bedeutend bessere Kohle als die unsrige, zu einem erheblich billigeren Preise als Mark 0,27 pro Hektoliter zu beziehen."

„1882
: … immerhin war es aber durch die Vorsicht geboten, auf die Kohlengrube auch in diesem Jahre eine Extraabschreibung von Mark 30.000 festzusetzen, weil in absehbarer Zeit große Aufwendungen für Grubenbauten gemacht werden müssen und bei der Natur dieser Arbeiten die dafür zu machenden Aufwendungen sich zur Zeit noch jeder Schätzung entziehen."

„1885
: Der Verlust an der Kohlengrube ist lediglich durch den immer schwieriger werdenden unterirdischen Abbau entstanden. Es wurde beschlossen, den Abbau durch einen Tagebau zu ersetzen, von dem wir hoffen, daß er nicht allein niedrigere Gestehungskosten, sondern auch eine bessere Qualität ergeben wird. Es ist die Einrichtung dieses Tagebaues im Ganzen mit ca. 120 Mark veranschlagt und sind bereits Mark 14 532,16 bid zum 31. März 1886 ausgegeben."

1888 wurde wegen der teuren Abraumkosten wieder teilweise zum Tiefbau übergegangen und im Jahre 1896 wurde der Tagebau wegen des sich „aufblähenden Liegenden" wieder ganz aufgegeben.

Beim Bau des Schachtes und der Schachtanlagen sowie bei fast allen Bohrungen und auch beim Aufschließen des Tagebaues hatte man festgestellt, dass guter, sich zu Ziegelsteinen bestens eignender Lehm anstand. Aus diesem Grunde wurde eine Ziegelei, die mit vier Kasseler Flammöfen ausgerüstet war, der Grube angeschlossen. Die Ziegelei produzierte jährlich etwa 2 Millionen Steine, die wegen ihrer Güte in der Bauwirtschaft sehr beliebt waren.

„1901
: Leider hat sich herausgestellt, daß die Förderung aus dem vorhandenen Tiefbauschacht nur noch kurze Zeit vorhalten wird, es tritt die Notwendigkeit heran … einen neuen Tagebau in Angriff zu nehmen."

„1902
: Die im Vorjahre bereits erwähnte Anlage eines Tagebaues zur Kohlengewinnung ist nunmehr beendet und in brauchbarer Weise hergestellt. Wir haben die Abräumungsarbeiten durch einen Bagger verrichten lassen, wodurch ein Kostenaufwand von Mark 213 315,60 entstanden ist."

Die Kohle wurde nun in mühsamer Arbeit von Hand mit Hilfe von Schurren, großen an Seilen befestigter Eimer, gewonnen und in vier und später in sechs Hektoliter fassende Förderwagen geladen, die durch eine Hauptförderstrecke zum Füllort gefahren wurde. Es wurden zehn bis zwölf Wagen zu Zügen zusammengestellt und von einer Benzollokomotive zum Schacht gebracht. Im Schachtbetrieb gelangten dann durch einen Seillift die Förderwagen nach „Übertage" zur „Hängebank". Hier wurde die Kohle entweder auf die Vorratshalde gekippt oder der Zuckerfabrik durch eine kleine Kohlenbahn mit acht bis zehn Förderwagen zunächst durch Pferde oder Ochsen und später durch eine elektrische Lokomotive zugeführt.

Bis kurz nach der Jahrhundertwende merkte man noch nicht viel von der Industrie, bisher war ja die Gegend eher Agrarland mit der Zuckerfabrik, die aus ihrem Nebenbetrieb Kohle gewann. Aber ab 1905 wurde dies anders. Es kam ein großer Aufschwung in der Braunkohlenindustrie, und hierdurch wurde auch das Interesse für das an Kohle reiche Geiseltal wachgerufen. Die Zuckerfabrik Körbisdorf, die der größte Feldbesitzer, ja sogar der größte Kohlenfeldbesitzer im Geiseltal war, legte ihr Hauptaugenmerk aber dennoch nur auf die Zuckerfabrikation und nicht auf die Erweiterung oder Vergrößerung ihres Bergbaubetriebes.


Kohlengrube um 1905

Durch den Geschäftsbericht erfahren wir :

„1906
: Die wesentlichen Lohnerhöhungen sind nicht allein durch die allgemein günstige Lage der Industrie, sondern auch hauptsächlich durch die Aufschließung von Kohlenbergwerken in hiesiger Nähe und Umgebung hervorgerufen. Dieser Umstand würde unser Geschäftsunternehmen für die Folge schwer belasten, wenn wir nicht einen Ausgleich durch einen günstigen Verkauf von Kohlenfeldern gefunden hätten. Von unseren in Geißelröhlitzer und Wernsdorfer Flur gelegenen Feldern haben wir an die Gewerkschaft Christoph-Friedrich in Berlin und die Hallesche Pfännerschaft in Halle a. S. 128 ha zum Durchschnittspreise von rund 12 680 Mk. pro ha verkauft ..."

„1907
: Von in Geißelröhlitzer Flur gelegenen Feldern haben wir weitere 22 ha als Kohlenfeld sowie 16 ha als Lagerplatz für Abraummassen zum Durchschnittspreise von 10 564 Mk. pro ha an, die Gewerkschaft Christoph-Friedrich in Berlin verkauft."

Es bildeten sich große Kapitalgesellschaften, sogenannte 'Gewerkschaften'- diese und die hinter Ihnen stehenden Aktionäre bzw. Banken brachten viel Kapital mit, und es setzte eine Jagd nach den Kohlefeldern ein. In allen Orten wurden Verhandlungen mit den Besitzern um Haus und Feld geführt, da man ja nicht nur das Land brauchte, sondern auch Gebäude, um schnellstens Wohnungen für die Arbeiter zu bekommen. Sehr beliebt waren Bauerngehöfte mit großen Scheunen, die bald zu Wohnungen umgebaut waren. Und mancher Bauer und auch manch kleiner Hausbesitzer dürfte sich im nach herein „schwer über das Ohr gehauen" gefühlt haben. Die meisten dürften aber nicht unglücklich über den Verkauf gewesen sein, die Pumpen der kleinen Tagebauen hatten schon beträchtlich den Grundwasserspiegel abgesenkt und anderswo war mit dem Geld oft ein größerer Hof zu erwerben.

In den Jahren 1906/07 wurden so die Gruben „Elisabeth", „Cecilie", „Michel" und „Beuna" aufschlossen.1910 folgte die Grube „Leonhardt2 bei Neumark durch die Gewerkschaft Michel und ein Jahr später die Grube „Pfännerhall" bei Braunsdorf durch die Hallesche Pfännerschaft. Während sich die beiden Gruben „Pfännerhall" und „Leonhardt" zu Großbetrieben entwickelten, blieb die Grube „Otto" der Zuckerfabrik in Körbisdorf bis 1917 immer noch ein Kleinbetrieb. Diese Grube förderte nach wie vor Kohle hauptsächlich für die Zuckerfabrik. Für die Ziegelei war bereits seit 1909 Hochkonjunktur eingetreten. Es wurden u.a. auch die meisten Steine für den Bau der Kolonie-Neumark geliefert, einem kleinen 'Arbeiterdorf'. Im Jahre 1913 war ein sehr guter Absatz an Kies für den Bau der Straßenbahn. Das gesamte Unterbaumaterial stammte aus Körbisdorf. Die Straßenbahn sollte 1914 in Betrieb kommen, jedoch infolge der Beschlagnahme des Kupferdrahtes während des ersten Weltkrieges konnte dies erst am 5.Februar 1918 realisiert werden.

Dieser Kleinbetrieb der Grube „Otto" ging bis 1917. Durch die Erbauung der Leuna-Werke wurde sehr viel Kohle gebraucht.

1917 gibt die Badische Anilin- und Sodafabrik der Zuckerfabrik Körbisdorf ihren Aufsichtsrat und Vorstand, lässt jedoch die Firma weiter bestehen.

Der Geschäftsbericht sagt:

„1917
: Die Grube hat bisher ausschließlich der eigenen Zuckerfabrik gedient, was zu einem rationellen Betriebe naturgemäß nicht führen konnte. Wir haben uns entschlossen, einen weiteren Ausbau der Grube vorzunehmen, der im Gange ist. Gleichzeitig haben wir zur Sicherung des Absatzes der Mehrförderung Lieferabkommen mit der benachbarten Industrie unter Bedingungen abgeschlossen, die eine angemessene Rente für die investierten Kapitalien gewährleisten.
Die Ziegelei ist außer Betrieb gesetzt."

„1918
: Der Ausbau der Grube ist durch den politischen Umsturz und seine Begleiterscheinungen stark aufgehalten worden …"

So wurde Leuna Besitzer der Grube „Otto". Und nun holte der Tagebau Körbisdorf auf. Der Abraumbetrieb wurde der Firma Julius Berger übertragen. Diese Firma rückte mit den damals „modernen Großgeräten" an; als Erstes wurde über dem Bruchfeld die heute als „alte Kippe" bezeichnete Kippe aufgeschüttet. Diese war später lange Jahre hindurch wegen der dauernden Rutschungen ein großes Sorgenkind.

Die Hauptförderung mittels Kettenbahn von der Grube zum Bunker, und eine alte Schachtförderung blieb nur noch als Nebenförderung bestehen. Sie kam dann 1925 gänzlich zum ,Erliegen.

Bevor wir nun mit unseren Betrachtungen fortfahren, wollen wir Rückschau halten über das, was unsere Kumpels vom Beginn des Bergbaues im Jahre 1857 (Beginn der Bohrungen nach Kohle) bis 1921 geleistet haben. Wie eingangs erwähnt, förderten im Jahre 1862 unsere Vorgänger 3567 Tonnen Kohle, und das mit einer Belegschaft von etwa 30 Mann. Und wie sah es nun in den weiteren Jahren aus ?

Jahr

gefördert

Belegschaftsstärke

1865

12 335

45

1870

16 898

34

1875

23 082

40

1880

37 706

57

1885

32 089

53

1890

38 340

72

1895

38 975

61

1900

25 509

46


Als Vergleich hierzu, um zu erkennen wie dürftig die Kohleproduktion war, wird das Jahr 1921 mit seiner Förderung genannt :
„Pfännerhall" 562 337 Tonnen
„Leonhardt" 1 163 316 Tonnen
„Otto" 475 397 Tonnen

Auch der Tagebau „Otto" entwickelte sich also weiter, es kamen neue Bagger, der Abraum wurde in eigene Regie genommen, die Kohlegewinnung von Hand mittels Kopf- bzw. Kesselschurren wurde durch Bagger ersetzt.

Die Geschäftsberichte sagen uns :

„1920
: Der Bergwerksbetrieb ist durch Streiks mehrfach empfindlich gestört worden …, ... ohne daß allerdings auch im Berichtsjahre der mit Schwierigkeiten verknüpfte Aufschluß der Grube beendet werden konnte."

„1922
: Die Entwässerungsarbeiten sind nur langsam vor sich gegangen. Die Grube hatte wiederholt Schwierigkeiten durch Rutschungen, die vorübergehend den Betrieb beeinträchtigten."

1924
: Der Name der Grube war bisher immer noch Grube Nr. 353 („Otto") bei Körbisdorf. Östlich des damaligen Tagebaues lagen die ehemaligen „Dannenbergischen Felder". Deren ehemaliger Besitzer Dannenberg hatte selbige an „Pfännerhall" als Kohlefeld verkauft. Grube „Otto" machte mit „Pfännerhall" einen Feldtausch, übernahm die „Dannenbergischen Felder" und nannte sich dann Grube „Otto-Tannenberg". Der ehemalige Tagebau „Tannenberg" eröffnete seinen Abraumbetrieb im Herbst 1926. Es waren dann die Gruben „Otto" und „Tannenberg" wechselweise in Betrieb. Der Tagebau „Tannenberg" war im März 1954 ausgekohlt.

Durch die Bombardierungen des 2. Weltkrieges war auch die Körbisdorfer Grube betroffen. Schnell ging die Belegschaft daran, die Kriegsschäden zu beseitigen und die Produktion wieder aufzunehmen. Im Jahre 1949 wurden die Tagebaue Leonhardt, Otto und Tannenberg zum VEB Braunkohlenwerk Neumark zusammengelegt. Die Produktion musste und konnte auch laufend gesteigert werden, moderne Technik war dazu nötig und wurde auch angeschafft.


© 2013  bei Steffan Bruns, E-Mail SteffanBs(a)aol.com
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