Städte zwischen Saale und Unstrut

Nebra

Auf einem der Hügel bei Nebra an der Unstrut soll der sächsische Herzog Heinrich gerade dem Vogelfang nachgegangen sein, als ihm Abgesandte des Herrscherhauses seine Wahl zum deutschen König überbrachten. Die Stelle hoch über der Unstrut, an der Heinrich I. diese Nachricht erhielt, heißt heute noch der "Vogelherd". Geschichtliche Tatsachen liegen dieser Überlieferung nicht zugrunde (auch Quedlinburg und Goslar beanspruchen dieses bedeutende historische Ereignis für sich), wohl aber ruht auf diesem Ort der Zauber einer großen und langen Vergangenheit.

Auf historischem Boden gründen sich die Anfänge von Burg und Stadt Nebra. Bereits 15000 - 10000 v. u. Z. befand sich ein steinzeitlicher Rastplatz auf der Altenburg. Im Sommer 1999 wurde die so genannte Himmelsscheibe von Nebra zusammen mit einem Bronzeschatz von zwei Raubgräbern auf dem Mittelberg ausgegraben. Sie stammt aus der unmittelbaren Umgebung Nebras (Wangens) und gilt als die früheste bekannte Himmelsdarstellung der Menschheitsgeschichte. Sie wurde auf 1600 v.u.Z. datiert und belegt dass Nebra uralte Wurzeln hat. Auch für den Zeitraum 800-400 v.u.Z. ist auf der Altenburg eine befestigte Dorfanlage archäologisch belegt.

In der karolingischen Zeit lag hier an der Unstrut nahe dem alten "Heerweg", einem Abzweig der Kupferstraße, ein mehrmals bezeugter Königshof. Die Wurzeln des Königshofes dürften aber noch Jahrhunderte weiter zurückliegen. Zu seinem Schutz wurde an dieser Stelle die Altenburg errichtet, deren Verteidigungswerke mit Spitzgraben stellenweise ergraben worden sind. Nur wenig nördlich der jetzigen Stadt, auf einem nach Norden vorspringenden Bergsporn erhob sich die Burg. Es war eine zeitweilige Anlage mit Vorburg und Hauptburg. Im Schutze dieser ließen sich Handwerker und Bauern nieder. Sie legten den Grundstein zur "villa Neuiri", dem schon 876 bezeugten Ort Nebra, der später auch "Neuere", "Neberi" oder "Nebure" geschrieben wurde. Die "villa Neuiri" erscheint als der wichtigste Ausgangspunkt der Stadtentstehung.

Wohl im 13. Jahrhundert wählten die Bewohner von "Neberi", der Siedlung an der Unstrut, einen anderen Platz für ihre Stadt, der günstiger lag und vor allem vor den Ausuferungen der Unstrut geschützt war. Es ist die Stelle hoch über der Unstrut, wo die heutige Stadt liegt. Die Gründe der Verlegung werden hauptsächlich von wirtschaftlicher und militärischer Bedeutung gewesen sein, sie sind aber urkundlich nicht mitgeteilt.

Auch nach der Verlegung befand sich Nebra in der Nähe wichtiger Fernwege, die nach Überschreiten der Finne in das Tal der Unstrut absteigen und nahe der Altenburg bei Nebra die Unstrut überquerten. Die Mitte des 13. Jahrhunderts errichtete "Neue Burg" dürfte wohl die wichtigste Voraussetzung für die Verlegung des Ortes hierher gewesen sein. Heute befindet sich an dieser Stelle die Burgruine. In ihrem Bereich siedelten sich nun die Bauern, Handwerker und Händler von "Neberi" an und genossen hier einen besseren Schutz. Die Kirche der "villa Neuiri", der alten Siedlung in der Unstrutaue, ist aber noch einige Zeit benutzt worden. Um 1254 oder einige Jahre davor erhielt Nebra die Stadtrechte. Einige der umliegenden Ortschaften wie Schmieldorf, Kriebsdorf und Benndorf sind in dieser neuen Gründung nach und nach aufgegangen. Ihre Bewohner bildeten später die Unterstadt. Eine starke Wehranlage, zu der 4 Tore im Süden, Osten, Norden und Westen gehörten, schützte das städtische Gemeinwesen. Auch die Unterstadt hatte eine eigene Befestigung. Spätestens ab 1207 gab es eine steinerne Unstrutbrücke an der ehemaligen Grabenmühle, 1511 wurde diese durch eine neue an der Burgmühle ersetzt.

Stadtkirche Nebra, Michael Sander (Wikipedia)


Das Jahr 1341 unterbrach das weitere Aufblühen des städtischen Gemeinwesens. Soldaten des Markgrafen Friedrich des Ernsthaften belagerten Stadt und Burg Nebra, weil deren Besitzer den Landfrieden gebrochen und Wegelagerei getrieben hatten. Ungeachtet der Einwände des Erzbischofs Otto und der Stadt Magdeburg wurde Nebra in Brand geschossen und die Burg eingenommen. Trotz dieser schweren Zerstörungen wurde die Stadt wieder aufgebaut und Handel betrieben, der schon bald seine alte Bedeutung erreichte. 1348 kam es zu einer schweren Pestepidemie, in deren Folge die kleine Judengemeinde starken Verfolgungen ausgesetzt war. 1416 wurde die Kirche St.Georg geweiht.

Der sächsische Bruderkrieg brachte 1446-51 abermals schwere Zerstörungen. Truppen des Kurfürsten Friedrich des Sanftmütigen belagerten, eroberten und zerstörten die Stadt. Kaum waren die ersten Verwüstungen beseitigt, folgten 1458 im sogenannten Schwarzburger Hauskrieg neue Zerstörungen. Im großen Bauernkrieg kam es 1525 dazu, dass sich Bürger und Bauern aus Nebra und Umgebung über die Klöster in Reinsdorf und Memleben hermachten und diese ausplünderten. 1539 erklärte sich die Stadt als evangelisch-lutherisch.

Das Ministerialengeschlecht „von Nebra" hatte hier seinen Stammsitz und wurde 1205 erstmals erwähnt. Die thüringischen Schenken von Vargula hatten von 1259 bis 1341 Nebra im Lehnsbesitz und nannten sich „Schenken von Nebra". 1466 belehnte Herzog Wilhelm von Sachsen Friedrich von Nißmitz mit Stadt und Burg Nebra. Bis 1718 blieb Nebra im Besitz seiner Familie. Unter Quirin und Georg von Nißmitz wurde 1540 das heute in Ruinen liegende Schloss als repräsentativer Herrensitz erbaut. In dieser Zeit entwickelte sich die städtische Wirtschaft zu einer neuen Blüte. Ein Teil der Bürgerhäuser mit ihren schönen Portalen und weitläufigen Anbauten sind in diesen Jahren des wirtschaftlichen Aufschwunges errichtet worden.

Dann kam der Dreißigjährige Krieg ins Unstruttal und mit ihm weitere Zerstörungen. Im April 1641 wurde die Stadt belagert, geplündert und zum Teil niedergebrannt. 65 Wohnungen mit Scheunen und Stallungen, Kirche, Schule, Pfarrhaus, Rathaus, Brau- und Backhaus gingen in Flammen auf. Kaum hatte man das Notdürftigste wieder aufgebaut, fiel es den Bränden von 1655 und 1684 zum Opfer. Letzte Drangsale und Plünderungen erfuhr die Stadt im Siebenjährigen Krieg (1756-63) und in den Napoleonischen Kriegen.

Grundlage der städtischen Wirtschaft waren im 18. und 19. Jahrhundert die Leinen- und Wollweberei, Strumpfwirkerei und ein reger Weinbau. Nach wie vor dominierte die Landwirtschaft im Wirtschaftsleben der Stadt. Dank der reichen Sandsteinvorkommen und der 1791 eröffneten Unstrut-Schifffahrt von Artern bis Weißenfels erfreute sich die Stadt wirtschaftlicher Stabilität und Blüte. Besonders der Schiffbau spielte eine große wirtschaftliche Rolle. Auf dem Schiffbauplatz unterhalb der Stadt wurden Kähne und Gillen gebaut, auch kleinere Fahrzeuge nach der Art der Barken. Mit dem Schiffbau entwickelte sich zugleich ein neuer Berufszweig, das Schiffergewerbe, welches sich in einer eigenen Innung organisierte.

Transportiert wurden auf der Unstrut Steine, Holz, Getreide, Salz und Kohle. Nebraer Schiffe fuhren nicht nur auf der Unstrut, sondern auch auf der Saale, Havel und Elbe, nach Naumburg, Weißenfels, Dürrenberg, Halle, Magdeburg, Brandenburg und sogar bis nach Hamburg. Durch den Bau der Vitzenburger Zuckerfabrik in den Jahren 1850-52 wurde der Schiffsverkehr spürbar belebt. Damit waren zugleich die Regulierung und der weitere Ausbau der Unstrut verbunden. Erst mit der Modernisierung der Landstraßen und dem Bau der Unstrut-Bahn Naumburg-Artern (1889) ging die Unstrut-Schifffahrt und damit der Nebraer Schiffbau allmählich zurück und wurde schließlich 1921 eingestellt.

Zwischen 1952 und 1994 war Nebra Sitz des gleichnamigen Landkreises im Bezirk Halle. Am 1. Juli 2009 wurde die bis dahin eigenständige Gemeinde Wangen nach Nebra eingemeindet, am 1. September 2010 die Gemeinde Reinsdorf.