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Der Ziegelrodaer Forst

Eine 'teutsche' Jagd im Forst Ziegelroda

Hitze liegt über den Dörfern. Träge gleiten flimmernde Gebilde über den aufgeheizten Boden dahin und mühsam fällt in der Tagesglut das Atmen. Doch das Wetter meinte es diesmal gut. Den ergiebigen Niederschlägen in den ersten Frühlingswochen folgten lang anhaltende Sonnentage, unterbrochen nur von einzelnen Regenschauern. So ist es nicht zu verwundern, dass das Getreide - im Gegensatz zu den vergangenen Jahren - besonders gut steht. Und in einigen Tagen beginnt die Ernte. Viel Arbeit wird anstehen für die Mahd; jede Hand nötig sein.

Doch Aufruhr herrscht seit einigen Wochen in den landesfürstlichen Gemarkungen. Nicht die Ernte ist der eigentliche Urheber dieser Unruhe, sondern eine Anweisung vom Fürstenhof, welche alle Fronpflichtigen anhält, sich - mit Geräten und Verpflegung versehen - zum Sammelplatz zu begeben und ihre Jagddienste zur Verfügung zu stellen.

Als am 8.August 1715 Herzog Christian von Sachsen-Weißenfels im Forst Ziegelroda eintrifft, kann er mit den Vorbereitungen zu seiner Treibjagd vollauf zufrieden sein. Warum auch nicht? Waren doch über 250 Bauern mitten in der Getreiderente bemüht gewesen, den Wünschen ihres Herzogs nachzukommen. Auch Prinz Adelbert von Preußen jagte mit großer Vorliebe in der Ziegelrodaer Gegend. Das 1728 erbaute, recht klobig wirkende „Prinzenhäuschen" steht heute noch im Revier Wangen im südlichen Teil des Forstes.

Deutschland zu Beginn des 18.Jahrhunderts. Das „ teutsche oder eingestellte Jagen" erfreute sich zu jener Zeit immer größerer Beliebtheit bei den feudalen Jagdherren und fand als beliebte höfische Jagdform immer mehr Ausbreitung. Diese Art der Jagd auf Rot-, Dam- und Rehwild und auch wilde Sauen mittels bewachter Stellnetze, in denen das Wild in Massen eingekesselt und anschließend von den Jagdgästen niedergemacht wurde, kannte man jedoch schon im alten Ägypten und Persien.

Diese „ Schieß-Jagden", jagdlicher Höhepunkt an den Fürstenhöfen, fanden vorwiegend zur Feistzeit der Hirsche statt, also in den Monaten August/September, wenn die Hirsche noch feist - durch die Brunft nicht abgemagert - und die Bauern mitten in der Ernte waren.

Wurde der landesfürstliche Befehl zur Abhaltung eines Hauptjagens nach „ teutscher" Art erlassen, herrschte wochenlange Aufregung in den betroffenen Landesteilen. Die zuständigen Schösser und Amtmänner wurden angewiesen, die Fronpflichtigen zum Jagddienst aufzubieten. Aus allen betroffenen Ämtern wurden die Bauern, welche nur widerspenstig Haus und Hof verließen, zusammengeholt. Selten ging es sicherlich ohne Schläge und Püffe ab, wenn sich ein Bauer zu langsam und halsstarrig anstellt. Neben den Fronpflichtigen standen noch Förster, Jäger und Jagdburschen zur Verfügung - insgesamt ein riesiges Aufgebot zur Vorbereitung eines großen Hauptjagens. Einem Bericht zufolge standen für eine große Hofjagd des Königs Friedrich Wilhelm I. von Preußen im Jahre 1730 mehr als 600 Forstbeamte sowie über 4000 Treiber zur Verfügung. Mit 90 Wagen, mit je 4-6 Pferden bespannt, wurde das Netzmaterial (Netze und Tücher), mit dem eine Strecke von über 110 km Wald und Flur umstellt werden konnte, ständig umgesetzt.

War das Wild nun über mehrere Tage hinweg auf verhältnismäßig engem Raum - den sogenannten „ Kammern" - zusammengetrieben, wurde es mit festen Netzen umstellt und Tag und Nacht von den zugewiesenen Jägern und Bauern bewacht. Schwere Arbeit war mit dem Anfahren, Abladen und Aufstellen des Zeugs verbunden und nicht selten gab es dabei wunde und zerschundene Hände , ja sogar abgerissene Finger. Es mag auch mancher Fluch in den herrschaftlichen Waldungen erklungen sein, wenn ein erzürnter Bauer seinem Ärger freie Luft verschaffte.

War nun der genaue Tag des Jagdzeremoniells vom Landesherrn bestimmt, wurde in der Morgenfrühe das Wild in die sogenannten Kammern getrieben, den letzten, mit hohen Netzen umstellten Sammelplatz, welcher nur noch durch einige Tüchern vom „Lauf" verdeckt wurde. In der Mitte oder seitwärts desselben befand sich der Leibschirm der hohen Herrschaften - ein offener hölzerner, bunt angestrichener und mit Girlanden geschmückter Pavillon. Einem kleinen Heereszug gleich kam nun die Jagdgesellschaft, bestehend aus den vornehmen Damen und Herren sowie geladenen Gästen, unter Jagdmusik in ihren Kutschen bis zum Schirm gefahren. Der kölnische Kurfürst Ferdinand brachte es in diesem Zusammenhang vor dem dreißigjährigen Krieg auf stattliche dreihundertfünfundvierzig Personen und zweihundertdreiunddreißig Pferde. Nach einem ausgiebigen Frühstück fand man sich am Schirm zum Schießen bereit. Auf ein Zeichen des Jagdmeisters wurden Jagdsignale geblasen, Pauken und Trommeln geschlagen, Quertücher aufgezogen.

Das erste Wild kommt, von Jagdhunden gehetzt, am Schirm vorbeigeflüchtet. Die Büchsen krachen, „der Laufplatz füllt sich mit flüchtendem Wild, ratlos fährt es hin und wider, wilde Angst in den Lichtern. Manch ein Geweihter liegt und färbt den Rasen rot, um ihn stürzen Tiere und Kälber, ... dort schleppt ein Hirsch, durchs Kreuz geschossen, sich auf den Vorderläufen fort, hier ein anderer hat den Hunden sich gestellt und kämpft, während der rote Schweiß ihm aus dem Windfang träufelt". (Wendt)

Auf einen Wink des Fürsten hin, wurde im Anschluß an das erfolgte Gemetzel dem verwundeten Wild von den Jägerburschen der Fang gegeben und die Strecke gelegt. Die Jagd war zu Ende - das große Halali wurde geblasen und der Fürst erhielt vom Oberjägermeister den Bruch überreicht. Zum Ausklang begab sich die Gesellschaft nun in angeheiterter Stimmung zum Jagdbankett, welches meist in einem großen Zelt oder im Jagdschloß stattfand.

Bestürzend sind die Streckenberichte solcher Hauptjagen. So sollen im Jahre 1748 in Leonberg/ Württemberg über 500 Stück Wild gestreckt worden sein und bei einem Hauptjagen während der Geburtstagsfeier des Königs Friedrich von Württemberg (1812) eine Strecke von 823 Stück Wild, darunter 116 Hirsche. Zur letzten Königlichen Hofjagd im Grunewald (nördlich von Berlin) am 16.12.1901 wurden innerhalb kürzester Zeit 739 Stück Damwild geschossen, von welchen der deutsche Kaiser Wilhelm der II. 39 starke Schaufler selbst erlegte. Nach der Auflösung des Hofjagdreviers Grunewald wurde 1902 die letzte Parforcejagd vor den Toren Berlins geritten.

War die Jagdgesellschaft schon längst abgereist, ging für das Jagdpersonal, die Fronbauern und anderen Bediensteten die Arbeit noch tagelang weiter. Die riesigen Wildbretmengen mußten verarbeitet und, in teilweise frischem Zustand, teilweise in Fässer eingepökelt auf Wagen verladen und in die Residenz oder an den jeweiligen Aufenthaltsort des Landesherrn gefahren werden. So kamen die spanndienstpflichtigen Bauern, denen diese Aufgabe zufiel, noch immer nicht nach Hause und die Ernte mußte noch längere Zeit verschoben bleiben.