Territoriale Verhältnisse

Grenzen wie wir sie heute kennen, sind eher etwas neues. In früheren Zeiten waren Grenzen keine feinen Linien in der Landschaft, sondern oft Landschaften selbst. Das alte deutsch-germanische Wort für Grenze, Mark, erinnert noch daran, denn es bedeutet eigentlich Wald! Das heutige deutsche Wort Grenze entstammt dem slawischen 'Graniza'. Da die ungenauen Festlegungen immer wieder zu Grenzstreitigkeiten führten, wurden genaue Grenzen immer wichtiger. Eine Einsicht, die aber erst zu Beginn der Neuzeit in Mitteldeutschland auch halbwegs durchgesetzt war.

Das Land an und zwischen Saale und Unstrut ist keine territoriale Einheit, sie war es wohl auch nie. Als sich mit den Thüringern hier erstmals so etwas wie ein Reich formierte, war das Land zwischen Saale und Unstrut das Kernland des Thüringerreiches. Im frühen Mittelalter nahmen die Sachsen den Thüringern den Norden des Reiches ab. Damals wurde die Unstrut zur Grenzlinie zwischen Sachsen und Thüringern. Auch die Saale wurde in dieser Zeit Grenze, weil sich östlich von ihr slawische Stämme wie die Sorben ansiedelten.

Dass sich die frühmittelalterliche Grenze zwischen Sachsen und Thüringen nicht unbedingt an der Unstrut, sondern wohl eher im nördlich davor gelegenen Hochland befand, dafür sprechen die späteren mittelalterlichen Grenzen. Im Jahre 1247 kam das Land links und rechts der Unstrut als Pfalzgrafschaft Sachsen unter wettinische Herrschaft. Die Grenze zur Herrschaft Querfurt und dem Bistum Merseburg verlief nun auf der Hochebene zwischen Saale und Unstrut. Die Wettiner herrschten zu dieser Zeit schon über die Länder zwischen Saale und Oder und begründeten mit Kursachsen ein eigenes kleines Reich. Auch die im Norden der Unstrut gelegene Grafschaft geriet unter wettinische Lehnshoheit. Ein kleineres Territorium entstand um Querfurt, es geriet an Magdeburg.

Das Bistum Merseburg selbst dehnte sich in dieser Zeit auf der Hochebene zwischen Saale und Unstrut, etwa von Vesta an der Saale bis nach Schotterey und von da bis kurz vor Halle an der Saale aus. Nachdem dieses ohnehin schon lange unter sächsischem Einfluss stand, kam es 1565 mit der Reformation an Kursachsen. 1635 folgte diesem das bisher unabhängige Reichsterritorium Fürstentum Querfurt. Die Preußen brachten 1680 den Saalkreis unter ihrer Herrschaft, 1780 folgte die Grafschaft Mansfeld. Die sächsisch-preußische Grenze befand sich in dieser Zeit etwa auf einer Linie von Schipzig (nördlich Halle an der Saale), über Teutschenthal bis kurz vor Schafstädt und von dort Richtung Farnstädt. Manch ein Dorf an der Grenze wechselte mehrfach die territoriale Zugehörigkeit.

Die alte Grenze zwischen der Pfalzgrafschaft Sachsen und dem Bistum bzw. dem Stift Merseburg wurde später zu einer Kreisgrenze. Sie teilte für Jahrhunderte Ober- von Niederwünsch und Naundorf von Neumark. Daran änderte sich auch nichts als der gesamte ehemals sächsische 'Thüringer Kreis' 1815 an Preußen geriet. So blieb es bis weit ins 20.Jahrhundert hinein.

Südlich der Unstrut blieb alles seit dem frühen Mittelalter wie es war, dort liegt Thüringen. Dieses Herzogtum zerfiel zwar schon im hohen Mittelalter in eine Vielzahl von Fürstentümern und Grafschaften, von denen einige später auch unter preußische Herrschaft geraten. Erst im 20.Jh. wird Thüringen 'wiedervereinigt'.

In der DDR erfolgte 1952 eine umfassende Territorialreform. Die alten Länder wurden aufgelöst und durch Bezirke ersetzt. Auch die Kreise, deren Grenzen noch auf den alten mittelalterlichen Territorien fußten, wurden vielerorts neu gezogen. Nach 1990 wurden nicht nur die Länder wieder hergestellt, es folgten sogar weitere und noch umfassendere Territorialreformen, nach deren Ende es zwischen Saale und Unstrut zwei große Kreise gibt. Im Süden entsteht aus fünf früheren Kreisen der Burgenlandkreis, im Norden aus drei Kreisen der Saalekreis. Die Grenze zwischen beiden verläuft nun einige Kilometer nördlich. Vielleicht ist sie identisch mit der Grenze zwischen Sachsen und Thüringen im frühen Mittelalter.