Urzeit

Wohl erst so vor 10.000 Jahren wurden Klima und Landschaft an Saale und Unstrut angenehmer, schnell war aus Tundra Taiga, aus Taiga Wald geworden, vielerorts richtiger Urwald. Zwischen zahlreichen morastigen Flussniederungen boten die Grenzzonen zu den zahlreichen trockenen Hochplateaus eine erste bevorzugte Lebensumgebung. So auch in der Gegend zwischen Saale und Unstrut. Funde erster Dörfer reichen hier bis in diese Zeit zurück. Archäologische Funde belegen, dass die Besiedlung nicht wieder abriss und die Region sogar ein kultureller Hotspot in der Mitte Europas war. Vor 5-6000 Jahren wurde die Steinzeit hier von der Bronzezeit abgelöst und die Gegend zwischen Saale und Unstrut scheint dabei ein Entwicklungshotspot für das weitere Umland gewesen zu sein. Die legendären Funde von Nebra, Goseck und weiteren Plätzen in der Umgebung dürften auf diese Bevölkerung zurückgehen. Sogar stadtähnliche Ortschaften, vergleichbar mit den keltischen Oppida, entstanden hier in der Bronzezeit und Eisenzeit, so die von Goseck und von Merseburg. Auch für Mücheln wird eine solche Anlage zumindest für die Eisenzeit angenommen. Derartige stadtähnliche Anlagen verlangten schon damals Infrastruktur, dazu gehörten nicht nur brauchbare Wege, sondern leistungsfähige dörfliche Anlagen. Von den dort lebenden Menschen weiß man nur sehr wenig, es gibt keinen Namen und auch kaum Hinweise auf deren Sprache, außer dass diese nicht indoeuropäisch war. Außer Scherben, Gräbern, Knochen und anderen Artefakten, welche diese Bewohner hinterließen, hat zum Teil auch ihr genetischer Code in den hier siedelnden Menschen bis heute überlebt.

Erst vor frühestens 5000 Jahren drang eine erste westliche Gruppe der Indoeuropäer in den Raum zwischen Nordsee und Mittelgebirgen ein. Weitere folgten in den nächsten Jahrhunderten. Diese brachten wohl das indoeuropäische Element mit - Langschädligkeit, blonde Haare, blaue Augen - das einst in der Gegend zwischen dem Baltischen Gletscherrand und dem kaspischen Meer entstand. Auch wenn es dafür kaum Belege gibt, allenfalls aus der Ortsnamenforschung, scheint es so, dass sich die Indoeuropäer in diesem Gebiet erst später durchsetzten als in angrenzenden Gegenden.

Da man für die Jungsteinzeit die Namen der Völker nicht kennt, bezeichnet man die damaligen Menschen nach Kulturformen dieser Zeit. Neben den Begräbnisriten kommen da vor allem die Arten der Keramikherstellung in Frage. Vor 5000 Jahren herrschte zwischen Schwarzem Meer und Rhein noch die Bandkeramikkultur vor. Diese wird zwischen Saale und Oder bald von einer vom Balkan stammenden Kultur überlagert. Mit dieser Kultur dringen ursprünglich aus dem Nahen Osten stammende Getreide- und Haustierformen nach Mitteldeutschland vor, wohl aber auch die Kenntnis der Metallurgie. Vor 4000 Jahren bildete dann das Saale-Unstrut-Gebiet die Grenze oder besser Auslaufzone der wohl indoeuropäischen Trichterbecherkultur. Diese dehnte sich immer weiter nach Südwesten aus und löste in weiten Teilen die ältere nicht-indoeuropäische Bandkeramikkultur ab. Nur im Gebiet zwischen Unstrut und Elbe konnte sie sich noch halten, ebenso wie die einst vom Balkan stammenden Kulturtraditionen.

In der Bronzezeit wurde der Großteil von Mitteleuropa von der Urnenfelderkultur geprägt. Sie ist wohl im Gebiet der mitteleuropäischen Mittelgebirge entstanden und breitete sich bis zu den britischen Inseln und ins heutige Katalonien aus - über den Balkan bis nach Griechenland und Kleinasien, sogar bis nach Ägypten. Die berüchtigten Seevölker waren möglicherweise in ihrem Kern Gruppen, die einst aus dem heutigen Mitteldeutschland stammten. In der älteren Eisenzeit entstand zwischen Saale und Unstrut die lokale Kultur der Hausurnenbestattungen, welche wahrscheinlich schon eine keltische war. Später wurde die Landschaft zu einer Übergangszone zwischen keltischer LaTène-Kultur und germanischer Kultur.

All diese Kulturbewegungen zusammennehmend kann man eine Entwicklung der damaligen Bevölkerung rekonstruieren. Etwa vor 3000 Jahren siedelten in Hessen und Mainfranken Kelten. Möglicherweise gab es einzelne keltische Gruppen, die sich westlich der Saale niederließen. Einige eisenzeitliche Grenzbefestigungen an der Saale werden jedenfalls gelegentlich den Kelten zugeordnet. Als Urheimat der Kelten wird Hessen bzw. Böhmen angenommen. Von dort aus durchdrangen die Kelten dann fast ganz Europa und kamen als Galater sogar bis nach Kleinasien. Die äußerste östliche Grenze keltischen Einflusses und Herrschaftsbereiches auf heute deutschem Boden dürfte die Elbe gewesen sein. Östlich der Elbe siedelten Gruppen der Veneter, deren Kerngebiet sich zwischen Oder und Weichsel befand. Nachdem über Jahrhunderte immer wieder Gruppen der Veneter Richtung Adria abwanderten - die Albaner sollen von diesen Venetern abstammen - nahmen die Germanen dieses Gebiet unter Ihre Kontrolle. Zwischen Saale und Elbe scheinen aber noch lange Menschen gesiedelt zu haben, die keiner der beiden Gruppen zugerechnet werden können, ja die nicht einmal indoeuropäisch waren, sondern die mitteleuropäische Urbevölkerung darstellten.