Archäologie zwischen Saale und Unstrut

Oechlitzer Funde

Einige der bei Oechlitz dokumentierten Bestattungen der schnurkeramischen Kultur der Jungsteinzeit enthielten Funde, die ursprünglich als Schmuck oder als Verzierung auf der Kleidung getragen wurden. Dazu gehören Kupfer- und Bernsteinobjekte ebenso wie hunderte durchlochter Hundezähne oder in einem besonders spektakulären Fall tausende kleiner Muschelscheiben. Durch die detaillierte Dokumentation derartiger Objekte in ihrer ursprünglichen Lage kann die Kleidung, in der die Menschen des ausgehenden Neolithikums bestattet wurden, gut rekonstruiert werden. Aus Felsgestein geschliffene Streitäxte, die in einigen Männergräbern gefunden wurden, deuten an, dass es auch kriegerische Konflikte gegeben haben könnte. Bei Oechlitz wurde auch die bisher größte Zahl von Bestattungen der Glockenbecherkultur gefunden, die zum Teil zeitgleich mit der schnurkeramischen Kultur verbreitet war. Einige der Gräber der Glockenbecherkultur waren recht aufwändig mit hölzernen Einbauten gestaltet, von denen sich Spuren erhalten haben. Kupferne Haarspiralen und eine kleine Dolchklinge belegen zudem den hohen Status, den einzelne der Bestatteten in ihrer Gemeinschaft eingenommen haben. Aus der nachfolgenden frühen Bronzezeit des ausgehenden 3. Jahrtausends v.u.Z. sind es dagegen weniger die Funde, die die Archäologen begeistern, sondern die außergewöhnlichen Bestattungsweisen. In einigen Gräbern lagen die Bestatteten in mehreren 'Etagen' übereinander. Andere Gräber wurden mehrfach hintereinander genutzt, wobei die früher bestatteten Toten hierfür regelrecht zur Seite geschoben wurden. Ein Zeichen auch von Kontinuität in der Siedlung?

Der Fund eines 3.400 Jahre alten Herrscher-Schwertes bei Oechlitz weckt Assoziationen zu dem berühmten Fund von Nebra. Dass das Schwert im Vergleich zum Hortfund von Nebra, der etwa 200 Jahre früher datiert, weniger prunkvoll ausgeführt wird, erklärt man sich durch einen Macht- und Bedeutungsverlust der Region.

Auch aus jüngerer Zeit stammen bedeutsame Funde. Ein slawisches Gräberfeld des 9./10. Jhs. n. Chr. bei Oechlitz kann mit der frühen Geschichte des Ortes in Verbindung gebracht werden, dessen slawische Gründung auch historisch mit dem Ortsnamen belegt ist. Obwohl die Bestatteten nach christlichem Brauch mit dem Kopf im Westen ins Grab gelegt worden sind, deuten beigegebene Gefäße und Nahrungsmittelreste an, dass dennoch auch heidnische Traditionen in der Ausstattung der Toten weiter gepflegt wurden. Der Ort gehörte zu dieser Zeit schon lange zum sächsischen Teil des Reiches und lag einige Kilometer hinter der Grenzlinie. Slawen wurden hier teilweise zwangsangesiedelt, teilweise siedelten sie sich aber auch selbständig an. Sie wurden nicht an der Ausübung ihrer angestammten Sprache oder Kultur gehindert, aber an der Ausübung Ihres alten Glaubens, zumindest versuchte man es. Weswegen viele der altangestammten Riten einen christlichen Anstrich bekamen. Noch bis zur Zeit der Reformation war in weiten Teilen Deutschlands und Europas das Heidentum mehr oder weniger präsent, wenn auch oftmals christlich übertüncht. Viele dieser heidnischen Reste haben sogar bis in die jüngste Zeit überlebt.

Neugeborene und Kleinkinder wurden im zentralen Bereich des Gräberfeldes bisweilen in eigenen Gruppen, gelegentlich aber auch als Nachbestattungen vorgefunden. Überschneidungen von Grabgruben sind die Ausnahme.

Nach einer Ersteinschätzung der Skelette in situ ist die Dominanz von Kindergräbern im Verhältnis zu den übrigen Toten besonders hervorzuheben. So lassen sich bislang 42 Kinder und Kleinstkinder (61,7 %) von 14 Erwachsenen (20,5 %) deutlich unterscheiden. Im juvenilen Alter wurden 10 Menschen (14,7 %) bestattet, ein seniles Alter hingegen erreichten nur zwei Menschen (3 %). Eine Statistik, die sich auch in der Neuzeit nicht verändert, was durch die Kirchenbücher ausreichend belegt wird. Erst ab etwa 1820 ändern sich die Todesraten der Kinder und beginnt eine deutliche Verbesserung der Statistik.

Die sehr eng angelegten Grabgruben weisen darauf hin, dass die meisten Toten zur Niederlegung in Tücher eingewickelt wurden. Mehrfach fanden sich besonders bei den erwachsenen Individuen Anzeichen für die Verwendung von Holz als konstruktivem Element zur Ausfachung der Grabgrube, als Totenbrett oder Sarg.

Die spärlichen Grabbeigaben setzen sich einerseits aus wenigen kleinen Perlen, durchbohrten Schneckengehäusen und bronzenen Fingerringen zusammen, die meist aus den Gräbern von Kindern und Neugeborenen stammen. Darüber hinaus fand sich in drei Gräbern graue grob gemagerte Keramik. Das Beispiel eines vollständig erhaltenen, mit einem Wellenband verzierten Topfes liefert einen Datierungsansatz in slawische Zeit. Präzisieren lässt sich die Datierung in das ausgehende 10. bzw. frühe 11. Jahrhundert durch die Funde von vier kleinen silbernen Schläfenringen aus etwa 1 mm starkem Silberdraht mit S-förmigen Schleifen oder einfach umgelegten und eingerollten Enden. Sie besitzen einen Durchmesser von gut 1 cm und wurden im Schädelbereich von drei Bestattungen entdeckt.

Beigegebene Eier spiegeln die Durchführung eines Bestattungsbrauches wider, dem eine symbolische Bedeutung zugrunde lag. Jeweils ein Exemplar konnte in vier Gräbern nachgewiesen werden. Als symbolhaft dürfte ferner die Niederlegung von drei Pferden im zentralen Bereich des Gräberfeldes zu deuten sein. Sind die Pferde als Opfergaben zu verstehen, die vor Ort getötet wurden?

Das slawische Gräberfeld nahe der Ortschaft mit dem slawisch-stämmigen Ortsnamen Oechlitz widerspiegelt einen eher ärmlichen Charakter, keine Waffen und nur wenig Schmuck bei Kindern, auch sonst arm an Beigaben – ein Sachverhalt, der aber auch der regionalen Entwicklung entspricht. Dem gegenüber stehen die drei sicherlich prestigeträchtigen in das Gräberfeld integrierten Pferdegräber, durch die der Begräbnisplatz eine außerordentliche Stellung einnimmt.

Für weiterführende Aussagen in Bezug auf verwandtschaftliche Verhältnisse zueinander und Herkunft der Bestatteten bleiben die Ergebnisse weiterer anthropologischer Untersuchungen noch abzuwarten.

Es ist ein besonderer Glücksfall, dass nicht nur Objekte aus fernen Gegenden, sondern auch die Wegeverbindung im Verkehrsnetz selbst archäologisch nachzuweisen war. So entdeckten die Archäologen bei Oechlitz die Spuren eines Weges in Gestalt von kräftigen, humos verfüllten Spurrillen. Unter den normalen Bedingungen der industriell betriebenen Landwirtschaft sind diese Spuren vollständig zerpflügt. Hier jedoch können diese Fahrgeleise am Rand einer Hanglage über eine Länge von insgesamt 600 m nachverfolgt werden. Auf dem Weg konnten verschiedene Bronzefunde geborgen werden, die es ermöglichen, die Altstraße in die Zeit um 1.500 v.u.Z. zu datieren. Der Weg hat an dieser Stelle mindestens 400 Jahre lang existiert, bevor er aufgegeben wurde.

 

Quelle: nach einem Artikel bei www.lda-lsa.de/landesmuseum_fuer_vorgeschichte/fund_des_monats/2010/oktober/