Das Kirchspiel Stockheim und seine Dörfer, Güter und Vorwerke

Das Stockheimer Kirchspiel umfasste um 1930 40 qkm mit 1500 Einwohnern, Puschkeiten und Schleuduhnen liegen im Westen „auf hohem Berge", einem der letzten Ausläufer der Moränenlandschaft des Stablacks. Während Puschkeiten auf einer Höhe von 62m liegt, befinden sich die anderen Orte zwischen 45 (Dommelkeim) und 30m (Schwönau).

Bis Stockheim flacht das Gelände ab und nun dehnt sich nach 'Norden, Osten und Süden in eine weite Ebene aus, lm Norden begrenzt der Wald um das Zehlaubruch, einem Hochmoor, die Fernsicht und im Süden der Georgenauer Wald (später Woopener Wald, dann Lisettenfelder Wald).

Der Boden war sehr lehmhaltig und es gab zahlreiche Tonlager welche abgebaut wurden und in der Ziegelei, welche zu Meisterfelde gehörte, zu Ziegelsteinen verarbeitet. Letzter Pächter der Ziegelei bis 1945 war August Smorra. Die Abbaulöcher blieben offen und es sammelte sich in diesen Wasser.

Die Urbevölkerung zur Zeit der deutschen Landnahme im ausgehenden Hochmittelalter waren die Pruzzen, auf deren Urexistenz viele Ortsbezeichnungen zurückführen. Diese Pruzzen, welche zu den indogermanischen Balten gehören und mit den Litauern, Letten und Kuren verwandt sind, siedelten wohl seit altersher in dieser Gegend, jedenfalls lassen die Beschreibung in Tacitus Germanica darauf schließen. In den Höhenlagen, wohl gerade auch im Gebiet südlich Stockheim, siedelten wohl auch schon früh (spätestens ab der Zeitenwende) gotische Germanen. Es gibt Hinweise aus der Ortsnamenforschung dass schon vor den Goten in einigen nordwestlichen Gegenden Ostpreußens (wie dem Samland) länger Germanen siedelten.

 

Die Stockheimer Kirche

Nachdem es sicher einen hölzernen Vorgängerbau gab, begann um 1400 der Bau der steinernen Kirche in Stockheim. Nach mehreren Jahrzehnten Stillstandes wurde der Bau dann ca. 1450 fortgesetzt, was eine senkrechte Mauerfuge in der Nordwand bewies. Erst 1500 konnte die Kirche vollendet werden. Der erste Bauabschnitt wurde mit einem Staffelgiebel versehen Nach Beendigung des Gesamtbaues hatte dann das Langhaus zwei verschiedene Dachstühle. Der Grund der Unterbrechungen waren die derzeitigen Kriege. Der Kirchturm auf der westlichen Seite, war 36m hoch und stand anfangs mitten im Kirchenraum. Brände und auch Kriegseinwirkungen führten zu zahlreichen mehr oder wenige umfangreichen Schäden am Bauwerk, die Zeit und Absenkungen taten ihr übriges. Dies führte dazu das die Kirche über die Jahrhunderte immer wieder umgebaut wurde. 

Im Jahre 1688 stiftete der damalige Kirchenpatron Gebhard von Müllenheim die gesamte Kircheneinrichtung, die im wesentlichen bis 1945 erhalten war, der Altaraufsatz entstand 1690 in der Werkstatt des Bildhauers Isaak Riga, aus Königsberg. Nach 1700 wurde der Altar farbig bemalt und vergoldet, Johann Josua Mosengel (ebenfalls aus Königsberg) fertigte 1710-1712 das barocke Orgelgehäuse,

Da bei dem Brand von 1710 das ganze Pfarrarchiv verloren ging, begannen die Kirchenbücher von Stockheim erst in diesen Jahr. Heute sind nur noch die Verfilmungen der Jahre 1772-1874 vorhanden.

Der letzte Pfarrer flüchtete rechtzeitig, kehrte aber zurück, nachdem ihn die Front überholte, um die Armen und Kranken zu versorgen, bis er selbst an Entkräftung dort verstarb. Aus einem Fluchtbericht geht hervor, dass die Stockheimer Kirche noch 1947 bestanden habe und dort Traktoren untergestellt waren. Erst danach zerfiel die Kirche und wurde später abgerissen.

Die Pfarrer von Stockheim waren – soweit bekannt (Jahresdaten Daten der Nennungen, nicht unbedingt auch Daten der tatsächlichen Amtszeit.)
-um 1530 wohl ein Mann namens Bartholomäus - dies ging aus einem Gesuch aus dem Jahre 1542 hervor, als er bat aus Altersgründen in das Königsberger Spital aufgenommen zu werden.
-1548 wird ein Martimus Widmer genannt
-1586 Johannes Hofmann
-1594-1618 Johannes Bink(-ius)
-1618 Pfarrer Obergius
-1673 Philipp Schuster
-1694-1705 Nikolaus Fridericus Pöpping
-1712-1740 Johann Christian Gerich
-1749-1759 Jacob Weber
-1764-1772 Christian Friedrich Stoermer
-1774-1811 Friedrich Polycarpus Charisius
-1816-1831 Carl Emanuel Reinhold Johann
-1845-1866 Theodor Fürchtegott Gemmel
-1863-1874 Friedrich Sternkopf
-ca. 1880 Pfarrer Günther
-1888-1926 Julius Carl Kasemir
-1928-1934 Otto Ernst Zander
-1934-1939 Ernst Salkowski
-1940-1945 Ernst Mölleken

Kirche Stockheim
Quellen: Hans.Hermann Steppuhn, Heimatkreisbuch Bartenstein

 

 

Stockheim (Dorf):

Am 21. Dezember des Jahres 1352 wurde Stockheim vom Ordensbruder Erwin von Stockheim (Komtur zu Brandenburg (bei Heiligenbeil, am frischen Haff)), per Urkunde  an die 'getreuen Männer Hermann und Claussen seinem Bruder' übergeben. Er war wohl Namensgeber für das Dorf Stockheim. Beide Brüder durften auch Gericht halten, da aber vermerkt ist dass sie dieses nur über die deutschen Siedler tun durften, ist darauf zu schließen dass es neben diesen noch eine beträchtliche pruzzische Einwohnerschaft gab.

In dieser Zeit wurde wohl auch die Kirche von Stockheim errichtet und die zum Teil größeren Dörfer Schwönau, Eisenbart und Sommerfeld wurden dem Kirchspiel Stockheim angegliedert. Sie waren hauptsächlich von deutschen Neusiedlern, wohl weniger aus den Gebieten zwischen Flandern und Westfalen, als den zwischen Weichsel und Pregel, besiedelt. Die späteren Güter Schleuduhnen und Puschkeiten, waren Kleinansiedlungen der Pruzzischen Urbevölkerung, welche schnell in die deutsche Bevölkerung assimiliert wurde bzw. im 15.Jh. bei mehren Seuchen ausstarb. Wie in vielen anderen ostpreußischen Gebieten standen auch im Stockheimer Kirchspiel zu Beginn des 16.Jh. viele Hufen wüst (siehe Hufenliste) und mussten mit deutschen Siedlern (vorrangig aus dem nordwestdeutschen Raum) neubesiedelt werden.

In den Jahren 1410-1466 und noch mal 1519–1521 litt das Land sehr an den schweren Kriegszeiten. Der Orden, knapp an Geld, musste das Dorf Stockheim mehrmals verpfänden, was zum Verlust der bäuerlichen Freiheiten führte.. 

-1567 Herzog Albrecht verschreibt Stockheim, Abschwangen und Frisching an Jacob von Schwerin für 7000 Gulden auf 3 Jahre.
-1618 Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen an den Gerichtsverwandten der Stadt Königsberg Schwarz
-Die letzte Verschreibung erfolgte 1663 durch den Großen Kurfürsten an den Kammerherrn Gebhard von Müllenheim dieser war auch Patronat der Stockheimer Kirche und erhielt das Krugrecht ... 'da er den Krug noch zu bauen hat'..

1760 erwarb der Landrat Ludwig August von Ostau das Hauptgut Puschkeiten mit dem Dorf Stockheim und seinen Vorwerken. Um 1787 verkaufte er seinen übrigen Besitz an den Hauptmann von Knobloch und ging auf das Gut Lavo.

1800/1820 wird Puschkeiten als Hauptgut genannt zu dem auch das Dorf Stockheim mit all seinen Vorwerken gehört, Besitzer war derzeit Hauptmann von Knobloch. Stockheim soll damals 27 Feuerstellen und 195 Einwohner aufgewiesen haben.

Im Dunklen liegen die Zeiten vor 1510 was die Einwohner des Kirchspiels Stockheim betrifft, aber auch die nachfolgenden Jahrhunderte sind nicht sehr erhellt. Die erste Namensliste von Hufenwirthen des Kirchspiels (damals noch zum Gau Natangen gehörend) stammt aus dem Jahre 1526 und ist nur für die Dörfer Stockheim, Schwönau und Sommerfeld. So mancher Name aus dieser Liste – allen voran der FN Riemann – damals noch Ryman – ist bis 1945 im Kirchspiel vertreten. Spätere Listen – wie Präsentations- und Steuerlisten sind ebenfalls eher unvollständig. 

Die alten Häuser von Stockheim waren früher Wohnstallhäuser aus Lehmfachwerk, der Wohnteil war zur Straße gerichtet. Da die Häuser Strohdächer hatten, waren sie sehr brandgefährdet und immer wieder kam es zu Großbränden die erheblichen Schaden anrichteten. Im Jahre 1710 entstand im Pfarrinsthaus ein Brand, dem die ganze nördliche Dorfhälfte mit samt dem Pfarrhaus zum Opfer fiel. 1786 schlug dann ein Blitz in ein Haus auf der Südostecke des Dorfes ein, es war das Haus welches zuletzt Albert Schlicht gehörte.

Eine verheerende Feuersbrunst zerstörte viele Häuser - alle fünf Höfe bis an den Bach brannten ab und auch dass Pfarrhaus, ein Viertel des Dorfes. Schon 1710 wurde das Haus von Großmann errichtet, welches aber den Brand überstanden hat. Gegenüber der Schule stand der Hof mit Wohnhaus der Familie Gutzeit, mit einem steinernen Wohnhaus aus dem Jahre 1900. 

Wegen der Feuergefahr wurde kurz nach 1800 angeordnet, dass alle Herd- und Feuerstellen mit einer festen Mauer umgeben sein müssen, die sich zum Schornstein hin verjüngt. Erst 100 Jahre später, um 1900, drängte die Ostpreußische Feuersozietät darauf, dass auch die gefährlichen Strohdächer verschwanden Nun erhielten alle Häuser nach und nach die roten Ziegeldächer, die als freundliche Farbtupfer weithin aus Bauern- und Buschwerk der Dörfer hervor leuchteten. Das war auch das Ende der alten Fachwerkbauweise, denn alle neu errichteten Häuser wurden nunmehr mit Ziegelsteinen gebaut.

In der frühen Stockheimer Zeit, bis 1800 war das Dorf mit einem Zaun umgeben und an den beiden Straßenenden befand sich Tore, welche Nachts abgeschlossen wurden. An der Straße Richtung Königsberg gab es an der Gabelung, an der ein Abzweig nach Domnau führte, das Domnauer Tor, am Abzweig nach Almenhausen, das Königsberger und am Ostende des Ortes das Friedländer Tor. Im Jahre 1807 plünderten die Franzosen die Gegend - besonders die Orte südlich Stockheim muss es hart getroffen haben, da in den Kirchenbüchern Flüchtlinge von dort auftauchen. Aber auch Stockheim und seine nähere Umgebung blieb nicht verschont, die Kirche muss derart in Mitleidenschaft gezogen worden sein, dass auf Monate hin kirchliche Handlungen 'unter 1000 Augen' - also im Freien - stattfinden mußten. Die Totenrate, besonders bei Kindern, stieg um ein vielfaches. 

Um 1800 war Schwönau das einzige 'freie' Dorf im Kirchspiel – daher auch königliches Dorf genannt und seine Bauern wurden als 'hochlöbliche' bzw. 'königliche' Wirthe bezeichnet. Hingegen waren Stockheim und Sommerfeld adlige Dörfer, mit unfreien Bauern die in Lehnsverhältnissen zu ihren adligen Herren standen. Eisenbart, welches zuvor ebenfalls ein adliges Dorf war, war 'akademisches Dorf'. Auch die Bauern waren hier Unfreie. Erst 1810 wurde im Königreich Preussen unter den Einfluss der gegen das napoleonische Frankreich verlorenen Kriege, ein Edikt erlassen, welches alle Erbzinsleute, also auch die Bauern der adligen Dörfer Stockheim, Sommerfeld und Eisenbart, ebenfalls zu 'Freien' macht. Auf ihre Situation und Lebensweise hatte das aber wenig Einfluss, eher sogar negative, da der adlige Herr zuvor auch Schutzpflichten hatte, die nun wegfielen. Weit aus mehr Einfluss hatte die Separation 1835. Bei dieser ersten deutschen Bodenreform wurde das Land neu aufgeteilt. Bisheriges Gemeindeland, aber auch adliges Eigentum, sowie durch Erbfolgen zersplitterte Landflächen, wurden unter den ansässigen (bis 1820 zumeist unfreien) Bauern neu aufgeteilt und zu deren Eigentum gemacht. Die Adligen wurden dabei, im Gegensatz zur letzten großen deutschen Bodenreform, großzügig entschädigt. Mit ihren Entschädigungen bauten sie ihre, bis Dato recht einfachen Gutshäuser, zu Schlossähnlichen Anlagen aus. Letztendlich hatte die Separation auch für den Landadel einen schlechten Einfluss, die Entschädigungen waren schnell verbraucht, das Landvolk war nicht mehr Dienstpflichtig und die Hufenwirthe so bald wirtschaftlich erfolgreicher als man selbst. Der Adel, der nie gelernt hatte wirtschaftlich zu denken, war nur selten in der Lage wirtschaftlich umzudenken, und ging mehr und mehr Bankrott. Da ein wichtiger Nebeneffekt der Separation war, das nunmehr auch Bürger Güter oder Höfe erwerben konnten, gingen in dieser somit Zeit nach und nach alle Güter und Vorwerke in bürgerliches Eigentum über. Bereits 50 Jahre nach Ende der Separation, die im Schnitt 20 Jahre andauerte, hatte der Adel im Kirchspiel Stockheim nichts mehr zu sagen.

Administrativ wurde Stockheim, wie auch die meisten Güter und Vorwerke der Umgebung, zumeist vom Gut Puschkeiten aus verwaltet. Wobei die einzelnen Dörfer, Vorwerke und Güter oft die Zugehörigkeit zu den einen oder anderen Amtsbezirk wechselten

Bereits 1534 hatte Stockheim einen Schulmeister, welcher für das gesamte Kirchspiel verantwortlich ist. Der Unterricht dürfte aber anfangs bei den Geistlichen gelegen haben. Die ersten eigen Schulgebäude entstanden später, anfangs auf Kirchengrund. Die letzte Schule, ein Backsteinbau des ausgehenden 19.Jh. steht noch heute.

Schule Stockheim
Quelle: karin@familie-gerloff.de

 

 

Heute:
Die meisten alten Häuser im Kirchspiel Stockheim sind zerstört. Das alte Pfarrhaus, welches neben der Kirche stand, steht noch. Auch die Schule, entgegen der herkömmlichen Bauflucht mit der Stirnseite zur Straße, in der Arthur Krüger einer der letzten Lehrer war.

Das große Haus im roten Backsteinbaustil der Familie Nieswandt steht auch noch. Einige kleinere Dorfhäuser, einst hell verputzt haben die Zeit ebenfalls überlebt. Auch die Schule ist noch relativ gut erhalten - siehe Bild oben. Auf dem Gelände an Südwestende des Dorfes, wo die Villa Perkuhn noch bis 1947 stand, ist mittlerweile alles verschwunden, selbst das schöne alte Backsteinbauernhaus daneben, welches 2003 noch stand, ist inzwischen leer und verlassen, ohne Fenster und Türen. Dafür sind einige neue Häuser im schlichten russischen Landstil entstanden, die das typische alte Dorfbild von einst wohl nachteilig verändert haben. Stockheim heißt heute Sajzewo und hat bei weitem nicht mehr die Ausmaße wie vor 1945.

Dorfstraße Stockheim
Quelle: karin@familie-gerloff.de

 

Hinweise zu den Quellen: Hans.Hermann Steppuhn, Heimatkreisbuch Bartenstein, sowie Knut  Walter Perkuhn, ein Sproß der Gutsherrenfamilie denen in der 2.Hälfte des 19.Jh. Puschkeiten und weitere Güter gehörten.